Die Medizinverbrechen der Nazizeit in der Klinik Berlin-Buch haben nur wenige Spuren hinterlassen. Unvollständige Deportationslisten, gefälschte oder oft sogar vernichtete Dokumente und das beklemmte Schweigen vieler Angehöriger lassen die genaue Zahl der Todesopfer nur erahnen.
Die letzten Erinnerungen sterben mit den wenigen noch hinterbliebenen Zeitzeugen, nach sieben Jahrzehnten, in denen viel zu wenig erzählt wurde.
Das Unrecht, das hunderttausenden Menschen in Deutschland, im Namen des utilitaristischen Nutzenkalküls, der Rassenhygiene und des Rechts des Stärkeren durch Mord, Zwangssterilisation und Demütigung zugefügt wurde, ist nicht ansatzweise öffentlich gewürdigt worden. Jene, die als „minderwertig" zwangssterilisiert wurden, werden nicht als Verfolgte des Nationalsozialismus anerkannt. Ärzte, die die euphemistischen „Euthanasiemorde" zu verantworten haben, wurden später kaum dafür belangt. Statt sich der Aufarbeitung zu stellen, wurde geschwiegen, verdrängt, vergessen.
Alles, was wir nun haben, sind Schatten: Es gibt einen Standort, einige Zahlen und Namen. Die Menschen selbst sind nicht mehr da. Wir müssen sie daher in die Fragmente projizieren, die uns bleiben.
Zersplitterte Umrisse des örtlichen Mauerwerks bilden eine vom Weg geteilte Insel, die dem architektonischen Umfeld in seinen Baustoffen gleicht, aber von der Urform so entwachsen ist, dass sie sich der bewussten, rationalen Verständlichkeit entzieht. Sie ist ein Ort der Stille, der nach Aufmerksamkeit schreit. Ein fremder Verwandter, ein rätselhafter Haufen verschleierter Informationen.
In den gebauten Trümmern finden sich Abdrücke menschlicher Körperteile, die tiefe dunkle Löcher in die Steine schneiden. Gefangen, zerteilt und unvorhanden zeichnet sich der Schatten eines Menschen ab – eines Menschen, den es nicht gibt.
Ein Mensch, der für die Zertrümmerung der Menschen, für die Zertrümmerung des Menschen, für die Zertrümmerung der Menschlichkeit steht. Ein Mensch, der jedes Opfer, jeden Täter und jeden Zeugen in seinem Leid enthält.
Der Mensch ist ein Ganzes – als Botschaft an die Medizin, als Botschaft an die Gesellschaft.
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