Kai Schiemenz
November 6 - December 18, 2021
extended until January 29, 2022
Galerie EIGEN + ART Leipzig
Glazed ceramic tiles mounted on Aluminium
Ausstellungsansicht Galerie Eigen + Art, Leipzig, Foto: Uwe Walter |
'Curiosity Killed the Cat' Keramik Wandarbeit, Foto: Uwe Walter |
'Curiosity Killed the Cat' Keramik Wandarbeit, Foto: Uwe Walter |
Oberfläche als Archiv
Das facettenreiche Werk von Kai Schiemenz haben wir bereits mehrfach vorgestellt. Acht großformatige Holzdrucke wurden in den letzten Jahren ediert, mit Mr. Hyde haben wir 2012 eine große Rauminstallation in unserem Kunstraum präsentiert und parallel in Portfolio No4 Schiemenz’ Installationen, Skulpturen, Graphiken und Malerei publiziert. Aktuell arbeitet der in Berlin lebende Künstler an kleinformatigen Skulpturen und Wandreliefs aus ungewöhnlichen Materialien.
griffelkunst: Bekannt geworden bist Du mit großformatigen, begehbaren Skulpturen. Dabei ging es häufig um die Befragung des Raumes, der durch Architektur definiert wird. Nun experimentierst Du mit farbigem Glas und glasierter Keramik und realisierst Skulpturen in viel kleineren Dimensionen. Wie kam es zu dieser Veränderung?
Kai Schiemenz: Die großen begehbaren Skulpturen bestanden in der Regel aus Holz. Sie bezogen sich in ihrer Modellhaftigkeit auf öffentliche Strukturen, wie Kinos, Archive oder Stadien, die Situationen schaffen, in der oft der oder die BetrachterIn sich beim Betrachten betrachten kann. Die neuen Skulpturen verändern dieses Verhältnis. Sie schaffen ein Gegenüber, das einen Bezug zum Körper entwickelt. Dabei wird die Oberfläche wichtig und ist Teil dieses Verhältnisses. Sie lädt ein. In den letzten drei Jahren habe ich viele Skulpturen aus Glas realisiert. Glas ist transparent, man kann meist durch seine Oberfläche hindurchsehen. Die Oberfläche ist hier nicht mehr die Grenze der Sichtbarkeit. Plötzlich schaue ich in einen Innenraum, sehe hier und da eine Blase, sehe wie mit der Stärke des Glases das Licht abnimmt. Man versinkt ins Dunkel eines Raumes, der hinter der Oberfläche beginnt. Und die Oberfläche funktioniert als Aufzeichnung, in die sich die Spuren der Herstellung als Scharten und Kratzer einschreiben. Oberfläche als Archiv.
griffelkunst: Für die griffelkunst hast Du aktuell zwei Kachel-Bilder entwickelt, die durch ihre Bildhaftigkeit, Materie und Oberfläche begeistern. Wie bei Deinen Glasskulpturen spürt man auch hier den Spaß an der Materialität. Wie wichtig ist der Prozess der Herstellung für Dich?
Kai Schiemenz: Mit den Händen etwas herzustellen ist immer belohnend. Ich zeichne gern, baue Modelle, ..., aber die Skulpturen setzte ich in der Regel nicht selbst um. Ich arbeite gern mit Materialien, die dazu neigen, dass etwas Neues, Unerwartetes entsteht, Materialien, die sich nur schwer steuern lassen. Das verändert zwangsweise mein Verhältnis zum Objekt. Die Form wird unwichtiger, absichtsfreier.
griffelkunst: Die graphischen Strukturen der Kacheln lassen unweigerlich an frühe Bilder der Moderne denken. Inwieweit zitierst Du diese Epoche?
Kai Schiemenz: Ach die Moderne, die hat eben viel mit Architektur zu tun, mit einer Zeit der aufkommenden Massenproduktion in Verbindung mit einem starken Sehnsuchtsmotiv, das Richtung ,Zukunft‘ zeigt. In diesem romantischen Zuwenden sehe ich die Nähe zu den keramischen Bildern. Als Kind hatte ich einen Rückzugsort, das Bad. Oft verbrachte ich hier längere Zeit, versunken in den endlosen Strukturen des Terrazzo oder in den Verläufen transparent glasierter Kacheln. Sie öffneten einen Raum, einen Vorstellungsraum, der nichts mit dem Bad zu tun hatte, aber in ihm vorhanden war. Mit den keramischen Bildern assoziiere ich diese Empfindungen.
Das Interview mit Kai Schiemenz führte Brigitte Bedei per E-Mail im September 2017.