Freitag, 3. Dezember 2021

RE-TURN: Skulpturenpark Berlin_Zentrum

 ‚Auf der Suche nach einem guten Hotel‘
 


Mit seiner Arbeit Auf der Suche nach einem guten Hotel beruft sich Kai Schiemenz auf die ursprüngliche Bedeutung des Wortes Skulptur: Kunstwerke, die durch Abtragen, Ausstechen, oder Aushöhlen von festem Material entstehen. Schiemenz erklärt den Berliner Boden zum Material seiner Arbeit und gräbt ein Loch. Dieses bildet die Negativform, aus der Betonformen gegossen werden. Die Form der Skulptur wird dabei von der Beschaffenheit des Bodens mitbestimmt. Dieser Kontrollverlust ist ein inhärenter Teil des Projekts. Schiemenz vergleicht seine Arbeit mit einer archäologischen Ausgrabung. Die ausgegrabenen “Fundstücke” werden in dem neu entstandenen Quartier aufgestellt. Sie bieten Raum zum Innehalten und Erinnern, welche Relevanz Boden als begrenzte gesellschaftliche Ressource bedeutet, und öffnen den faktischen Blick auf die geologischen und historischen Schichten unter den Neubauten.

 


 "Die begrenzt begehbare Fläche soll durch eine Falte erweitert werden. Es wird ein Platz gesucht an dem es möglich ist, ein Loch zu graben. Dieses Loch ist der Innenraum einer Skulptur und wird abgegossen. Die durch das Graben entstehende Oberfläche des Lochs, wird zur Negativform für einen Betonguss. Alle 50cm wird in das Loch eine Schalung so eingebracht, dass sich die Außenfläche des Lochs in der Form abbilden lässt. Es ist angedacht, jeden Tag eine Schicht in Beton zu gießen. Der Abguss der Skulptur endet, wenn die Negativform an eine natürliche Grenze stößt, die das Modellieren verhindert. Das kann ein Abflusskanal, ein Fundament oder das Grundwasser sein.
Die Idee zur Skulptur geht zurück auf die ursprüngliche Bedeutung des Wortes Skulptur (lat. Sculptura,  das als Bilden durch Graben, Stechen und Hauen beschrieben wird). Der Prozess des negativen Modellierens, des In-der-Erde-Grabens ist schwer absehbar. Er ist abhängig von den Gegebenheiten des Bodens, dem Werkzeug, dem Material und der Befindlichkeit des Künstlers. Das glückliche Zusammenspiel dieser Abhängigkeiten macht ein Gelingen der Skulptur möglich. Der Künstler reagiert auf die Situation im Boden und gleicht diese mit den schon vorhandenen Gussstücken ab. Modellieren als ein experimenteller Prozess. Ein Tasten im Dunkeln, das nach Form und Bedeutung sucht. Die Skulptur, die eine Lücke herstellt, die ein Loch ist und ein Innenraum. Ein Prozess der durch Arbeit Leere erzeugt und im Bilden durch Graben etwas Unbestimmtes entstehen lässt. Das Schaffen einer Lücke als ein ‚In-die-Welt-bringen‘.
Dieses ‚In-die-Welt-bringen‘ passiert in unterschiedlicher Weise. Jenseits der Schaffung eines Hohlraumes werden die einzelnen Gussstücke nach jedem Guss über das Gebiet des Skulpturenpark Berlin_Zentrum und dem ihn umgebenden Stadtraum verteilt. Die Beton-Gussstücke werden auf Gestellen, Tischen und Plattformen aus Straßenbaubohlen aufgestellt. Der Platz dafür kann eine Parklücke, ein Schaufenster, ein Treppenhaus oder ein Innenhof sein. Nachdem der Guss abgeschlossen ist, also wenn alle Teile bis zum Grund des Hohlraumes gegossen sind, werden die einzelnen Guss-Passtücken auf einer Basis vor Ort als Skulptur zusammengesetzt und ergeben wieder eine in sich geschlossene Plastik.
Auch wenn die Skulptur sich in diesem neu entstandenem Bebauungsgebiet erhebt, will sie sich nicht über dieses erheben. Vielleicht versucht sie mit dem Prozess ihrer Herstellung einen Raum des Erinnerns und Innehaltens jenseits einer archäologischen Ausgrabung zu erzeugen. Sie lässt im glücklichsten Fall einen Spalt entstehen, der einen Blick freigibt auf eine andere vergangene Zeit. Es ist nicht die Geste des Revolutionärs, der neue Räume erschießt, die den  Zugang zu dieser Arbeit schafft. Eher versteht sie sich als eine Falte, die in den Boden eingelegt wird, die diesen belüftet und anzureichern versucht."


 



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